Donnerstag, 6. Dezember 2007

Hans Witteborg

Über den unechten Nikolaus

Eigentlich müsste die Überschrift ja heissen: de false Nikolo, denn der Nikolaus war ein Heiliger. Für Heilige ist die Römische Kirche zuständig und die spricht neuerdings wieder lateinisch. Dafür reicht meine Bildung leider nicht aus. Ich bin schliesslich auch nicht Peter Scholl-Latour, der sogar lateinisch betet. Ich muss mich daher der schnöden Sprache Goethes bedienen, verübelt es mir bitte nicht.

St. Nikolaus gab es wirklich. Er war ein freigebiger Bischof, weswegen wir ihn heute noch am 6. Dezember verehren und so tun, als ob er jedes Jahr zur Erde zurückkehrt.

Das ist auch für tote Heilige irgendwie problematisch. Also muss man nur so tun als ob. Der Nikolaus wird gewissermassen simuliert. Bei uns im Dorf haben wir dafür einen hervorragenden Simulanten. Ich wollte euch den Namen eigentlich nicht verraten – aber die Zeitungen berichten jedes Jahr ausführlich unter Namensnennung über den Nikolaus. Jeder im Ort kennt ihn: ihr aber auch, aus meinem Gedicht „am Gartenzaun“. Richtig, es ist mein freundschaftlicher Nachbar Heribert.

Und somit taucht ein kleines Dilemma auf. Wie ihr alle wisst – und deshalb erwähne ich es auch – kommt der Nikolaus aus Myra, das liegt in der Türkei (Anmerkung für die spätgeborene Pisa-Generation). Heribert mag die Türken nicht so gern, wie z.B. Die Franzosen , natürlich hat das Gründe.

Einer der Gründe davon ist, dass die Türken Heriberts Heimatstadt –Gelsenkirchen- okkupiert haben. Sie nennen sie jetzt auf altanatolisch Gül-Sen-Kürken. Ärgerlich das.

Zum anderen sind die Türken Muslime. Heribert ist Christ, nicht von Geburt an sondern erst durch Taufe, Kommunion und Firmung. Dreifach genäht hält besser, wie der Volksmund sagt.

Mit der Welt der Religionen kann man aber über Kreuz kommen.

Nehmen wir die Juden. Die haben unsern Herrn Jesus ans Kreuz genagelt. Reden wir nicht darüber, nicht über alles, was mit den Juden zu tun hat. Verdrängen wir es besser, besser noch verschweigen. Buchenwald? Notwendige Anpflanzung von Laubbäumen von wegen Kyrill. Mauthausen? Tele-Collect Punkt auf der Autobahn.

Mit Muslimen ist das anders. Die laufen einem nach, die kommen zu uns. Massenhaft und strenggläubig. Da kennen die gar nichts. Es soll sogar einige geben, die der Meinung sind: “willst du nicht mein Bruder sein, dann bomb ich dir die Bude ein.“ Und bei der Ehre kennen manche nicht mal Verwandte. Ratzfatz ist da Solinger Stahl im Spiel.

Aber wir Christen müssen auch immer provozieren. Neulich in Khartun nennt doch tatsächlich von ihnen einen Teddy „Mohammed“! Verurteilen, auspeitschen. Provokateure die! Stellt euch doch andersherum vor, der Tierpfleger Murat im Berliner Zoo hätte den Eisbären Knut „Jesus“ genannt! Geht gar nicht! (Zugegeben, der Rummel um das Kuscheltier hat fast religiöse Ausmasse angenommen).

Die moralischen Vorstellungen zwischen Rom und Mekka liegen allerdings nicht so weit auseinander: z. B. Kuscheln unter Minderjährigen mit abschliessender Ejakulation – in der Türkei mindesten 7 Monate Untersuchungshaft. Strafandrohung in der Kirche: 7 Monate zusätzliches Fegefeuer, ganz subtil, da nach dem Tod sich kein Politiker mehr einmischen kann.

Aber kommen wir zurück auf den Nikolaus, den aus der Türkei. Heribert kann doch unmöglich sagen, dass er von da kommt. Aber Heribert wäre nicht Heribert wüsste er sich da nicht zu helfen. So zitiert er: „von drauss, vom Walde komm ich her..“ Wirklich elegant und diplomatisch formuliert!.

Wäre auch ziemlich seltsam, wenn es hiess:“ von weit, mit Öz-Tour komm ich her..“!

Allerdings würde dies die Verspätung erklären, mit der in Lippborg in diesem Jahr Nikolaus mit 3 Tagen Verzug gefeiert wird. Aber das hat schliesslich auch Gründe. Heribert ist überlastet. Er spielt den Nikolaus im Kolping Verein, Kegel Verein, in der Grundschule, bei den Senioren, im Kindergarten u.sw., ob bei den Landfrauen weiss ich nicht, vielleicht weil die mehr auf Männer mit Dreitagebart stehen?

In einer unseren knappen, dreistündigen Unterhaltung zwischen Tür und Angel habe ich ihm schon geraten:“ Heribert“, mahnte ich, „du darfst dich nicht übernehmen. Du schuftest schon bis zum Umfallen immer im Vorgarten und dann noch die vielen Termine. Nicht, dass es dir so geht, wie von Wilhelm Busch beschrieben:

.....überall war er zu finden, keine Stunde hat er frei, gestern, als sie ihn begruben, war er richtig auch dabei!“ Was wäre Lippborg ohne Nikolaus Heribert, das wäre wie Karneval ohne Prinz (kleiner Gag für Eingeweihte).

Bald steht er also wieder auf dem Weihnachtsmarkt. Das Buch der Gerechten in seiner Hand in das er alle Wohltaten und Verfehlungen aufgeschrieben hat. Wenn ich das richtig sehe, fehlt allerdings eine Seite, sie ist herausgerissen. Zufall, dass diese Seite die Registerbezeichnung TER führt? Schlingel, aber auch!

Es werden Stutenkerle zur Belohnung an die Kinder verteilt, nicht ohne ermahnende Worte. Alle sind ganz still und andächtig und lauschen der improvisierten Rede. Alle? Nein, plötzlich ein lautes, hohes Stimmchen: „Das ist doch Opa!“

Schallendes Gelächter rings herum. Nikolaus ist ein fröhliches Fest. Und mein Heribert der beste Nikolaus der Welt – fast wie das Original- nur eben nicht ganz.

In Lippborg ist was los. Kommt mich nur nicht besuchen, denn

dann wird es hier eng!

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