Donnerstag, 27. Dezember 2007

Hans Witteborg

Der Mann mit (über) vierzig

Der Spiegel morgens zu dir spricht:

so ganz wie früher bist du nicht!

Wo sonst das Haar – schon leicht ergraut-

man heute auf die Kopfhaut schaut.

Doch aus Ohr und Nasenlöcher

spriessen Haare noch und nöcher.

Die Augen, die einst kühn geschaut,

durch Tränensäcke sind versaut.

Und rings herum so die Figur,

vergleichbar einem Tönnchen nur,

die Taille fort – jedoch dafür

wölbt sich nach vorn ein Biergeschwür.“

Was soll ´s denkt man sich so im Stillen,

wofür gibt es denn Schlankheitspillen?

Die wirft man ein. In kurzer Zeit

ist man nicht mehr so lang wie breit.

Hier aber irrt man ganz gewaltig:

das Fett bleibt da, man wird nur faltig!

Und die Erkenntnis kommt so dann:

du bist fürwahr kein Don Juan!

Die Träne rinnt dir von der Wange;

jedoch Kopf hoch und keine Bange:

in hundert Jahren, Gott sei Dank,

wirst du dann wieder gertenschlank.

Kaum, dass dir der Gedanke kommt,

bist du schon wieder froh, ganz prompt,

und als ein alter Optimist,

bist du zufrieden, wie du bist!

Und plötzlich ist ´s dir einerlei,

du haust den Spiegel nur entzwei.

Donnerstag, 20. Dezember 2007

Hans Witteborg

Seelen-Einblick

Nein, es ist nicht so, dass ich die Menschen nicht liebe. Aber einige und nicht wenige dieser Spezies, die sich selbst als die Krone der Schöpfung bezeichnet, sind von derartiger Niedertracht, dass einem die Galle sichtbar gelb überläuft.

Vielleicht kennt ihr diese kleine Geschichte:

Ein armer Bauer lebt mit seinem Nachbarn, der ein ebenso bedauernswerter Schlucker ist, in ständiger Zwietracht. Eines Tages besucht eine Wunschfee unsern mürrischen Agrarier und bittet ihn, einen Herzenswunsch zu äussern, für dessen Erfüllung sie Sorge zu tragen verspricht. Die Erfüllung dieses Wunsches ist allerdings an eine Bedingung geknüpft: sein Nachbar erhalte danach das Doppelte von dem, was er selbst begehre.

Unser Kandidat zögert einen kurzen Augenblick, dann antwortet er unter hämischem Grinsen: „ So nimm mir eines meiner Augen!“

Gewiss, es ist nur ein Märchen, aber der es erfunden hat, kannte sich gut aus in den tiefsten Niederungen der menschlichen Seele. Derartige Hinterhältigkeiten sind bei unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, nicht zu erwarten. Ein Grund, weshalb ich sie ohne Ausnahme liebe.

Manche Leute behaupten, Tiere seien ausschliesslich Instinkt gesteuert, könnten keine eigenen Entscheidungen treffen und besässen ebenso wenig eine Seele.

Keine Seele? Mag sein, aber besser keine Seele als eine so rabenschwarze wie viele Zweibeiner sie besitzen. Ich jedenfalls bin anderer Ansicht – Tiere haben eine Seele und Gefühle jenseits von Schmerzempfindungen. Sie können sie auch den Menschen mitteilen, wenn diese sich dafür aufgeschlossen zeigen.

Man möge mir verzeihen, wenn ich auf ein Erlebnis weit aus meiner Vergangenheit zurückgreife, das ich als Beispiel für das eben Angeführte heranziehe. Ich bitte es nicht als die Gefühlsduselei eines alten Mannes abzutun, der in verklärten Erinnerungen lebt. Wer solches vermutet, kann sich getrost das Weiterlesen ersparen.

Es ist ungefähr 40 Jahre her, als ich mich aus beruflichen Gründen häufiger in der Stadt Nürnberg aufhielt. Diese, auch damals schon reizvolle Stadt, war mir also von den Sehenswürdigkeiten bestens bekannt, so konnte ich ohne etwas zu versäumen in einem Hotel ausserhalb der Innenstadt übernachten, welches unmittelbar am Zoo lag. In meinen freien Stunden hatte ich also Gelegenheit Tiere zu betrachten, die bei uns in Feld und Wald nicht zu finden sind.

Regelmässig besuchte ich in diesem Zoo das Löwengehege, in dem sich ein mächtiger Mähnenträger befand, der aus gewohnter Faulheit oder Langeweile immer ziemlich dicht an der Besucherabsperrung lag.

Eines Tages stand ich allein vor dem Gehege. Mein alter Freund Simba lag wieder an seinem Platz, nur diesmal fixierte er mich ungewöhnlich aufmerksam. Auch ich suchte seine Augen und sah ihn unverwandt an. Nach kurzer Zeit öffnete sich sein gewaltiger Rachen in dem Furcht erregende Fangzähne sichtbar wurden. Ja, gähn du nur, dachte ich – doch im selben Augenblick fing der Löwe an zu sprechen:

„Warum kommst du hier her, um zu gaffen? Reicht es dir nicht, dass deine Artgenossen mich meiner Freiheit beraubt haben? Ach, könnte ich doch die Weite der Afrikanischen Savanne durchstreifen, mich unter Akazienbäumen beschatten lassen. Ich vermisse die Sonne und das Spiel mit den Artgenossen, den wilden Kampf mit den Hyänen. Selbstbestimmung, wenn der Hunger mich zum Jagen antreibt, nicht wenn ich zum Fressen in meinen Käfig muss. Schlafen, wenn ich will – und nicht wenn meine Wärter mich dazu einsperren. Meine eigene Welt entdecken, dem Stampfen von Elefanten und Büffeln lauschen, Gefahren erkennen und bestehen - das Leben bestehen, der Langenweile entfliehen – kurz einmal ich selbst sein. OOaaach!“ endete er mit schmerzlichen Brüllen, das mir das Herz schwer machte. Dann wandte er sich ab und trottete in seine Felsengrotte.

„ Du hast ja so Recht“, schrie ich förmlich hinter ihm her.

Inzwischen hatte sich ein Grüppchen Menschen unbemerkt neben mir versammelt.

Die lachten und sahen mich verwundert an.

„Ein spinnerter Kerl!“

„Darf man nicht ernst nehmen!“

„Der ist bloss besoffen.“

„Das hat man schon mal“, sagte gütlich eine ältere Dame, „ das kommt, wenn jemand alleine ist. Ich rede auch oft mir!“

Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich es war, der die ganze Zeit mit dem Löwen geredet hatte. Ich drehte mich wortlos mit hochrotem Kopf um und verliess beschämt den Tiergarten.

Nur eines weiss ich gewiss: der verzweifelt traurige Blick dieser Kreatur hat mich genau die Worte aussprechen lassen, die das Innerste meines Löwen bewegten. Tiere haben eine Seele, und ich bin froh, dass ich dies erkannt habe.

Jahre später – meine Familie und ich waren zwischenzeitlich nach Schwabach gezogen – habe ich öfter noch den Zoo in Nürnberg besucht. Mein alter Freund Simba hatte sich inzwischen schon in die Ewigen Jagdgründe verabschiedet und ein neuer, prächtiger „König der Tiere“ hatte seinen Platz eingenommen.

Ich habe es jedoch stets vermieden, einen intensiven Blickkontakt aufzunehmen, um einen erneuten Seelen-Einblick zu vermeiden.

Schliesslich wollte ich nicht noch einmal als „Kaschperl“, wie man so schön in Franken sagt, dastehen….

Dienstag, 18. Dezember 2007

Hans Witteborg

Ein sicherer Platz für jeden

Die Kälte beisst in Ohr und Hand,

wohl dem, der in diesen Tagen

ein kuschlig, warmes Plätzchen fand.

*

Ein blut´ger Streit erfasst das Land,

wohl dem, der in diesen Tagen

ein sich´res, friedlich Plätzchen fand.

*

Dort Hungersnot, wie nie gekannt,

wohl dem, der in diesen Tagen

ein Stückerl Brot zu essen fand.

*

Wasser brechen ein ins Land,

wohl dem , der in diesen Tagen

noch Unterkunft im Trocknen fand.

*

Wohl denen, die in solchen Tagen

nicht erst nach wenn und aber fragen,

die tätig werden, nicht nur gaffen

und jedem sichren Platz verschaffen.

Montag, 17. Dezember 2007

Hans Witteborg

Die Weisheit der Birke

Sturm braust übern Birkenhain

zerrt und rüttelt Ast und Kronen

heult vor Wut als wollte er

keinen Baum verschonen.

Astwerk stöhnt ob der Gewalt

aber brechen – nein!

*

Trutzig, knorrig steht die Eiche,

ein Symbol urwüchs´ger Kraft

steht, als ob sie niemals weiche:

doch der Sturm hat es geschafft.

Splitternd und mit lautem Dröhnen

brachen Äste aus dem Baum.

Sturmgeräusche ? Oder Stöhnen?

Unterscheiden kann man´ s kaum.

*

Wie die borkige Eiche bricht,

wenn sie starr und nicht nachgibt

knicken Birkenäste nicht,

weil die Birke sich gewiegt,

und sich dennoch nicht verbiegt.

Samstag, 15. Dezember 2007

Hans Witteborg

Ich hab´s gewusst…

Auf des Kirchhofs stillem Grunde

liebevoll gepflegt,

ruhen reihenweis gebettet,

die des Lebens Freud und Last

nun für immer abgelegt.

*

Wenn du eintrittst in die Stille,

tu ´s behutsam und in Ruh`.

Lausche dem Gesang der Vögel,

die dort ruhen, hör´n auch zu.

*

Glaubst, dass Tote uns nichts sagen,

wenn man durch die Reihen geht?

Musst nur deine Augen fragen,

lies was auf den Steinen steht.

*

Erlösung, Trauer oder Hoffen

zeigen Inschriften dir an

und zuweilen siehst betroffen

manchen Hinweis du sodann.

*

Einer dieser Steine sagte,

fern des Sprüche-Einerlei:

„Ich wusste es, dass eines Tages

kommst auch du bei mir vorbei!“

Freitag, 14. Dezember 2007

Hans Witteborg

Senner Heide

Sah die Heckenrosen blühen

in der Senner Heide

Wolkenfetzen ostwärts ziehen

über Senner Heide.

Sand, der unter Tritten staubt

in der Senner Heide;

Küsse, zärtlich, unerlaubt

in der Senner Heide.

Letztlich nur bedeutungslos

für dich, für mich, für beide.

*

Regen tropft in schwerem Sand

in der Senner Heide.

Liebe ohne Unterpfand

in der Senner Heide.

Bleibet uns erinnern nur

an die Senner Heide.

Regen verwischt unsre Spur

in der Senner Heide.

Letztlich nur bedeutungslos

für dich, für mich, für beide

*

Denke oftmals noch zurück

an die Senner Heide,

Zärtlichkeit, ein bisschen Glück

in der Senner Heide.

Heimat bist du mir gewesen

meine Senner Heide.

Bin vom Heimweh nicht genesen

an die Senner Heide.

Letztlich nur bedeutungslos

für dich, für mich, für beide.

*

Kehr ich einmal zu dir wieder

meiner Senner Heide,

legt man mich ins Grab hier nieder

in der Senner Heide.

Wolken ziehn darüber hin

über Senner Heide.

Wen kümmert´s, dass ich nicht mehr bin

in der Senner Heide?

Letztlich nur bedeutungslos

für dich, für mich, für beide!

Donnerstag, 13. Dezember 2007

Hans Witteborg

Enge

Dächer stellen sich schräg,

verstellen den Blick.

Keine Weite,

schneiden den Horizont ab.

Ausblick?

Wohin? Stumpfe Ziegel,

waren einmal Naturteil,

gepresste Zivilisation!

Wandernder Augen Hemmnis.

Vielleicht liegt Geborgenheit

darunter?

Vielleicht aber auch Enge,

verstellt alles-

Geist und Seele

unter Dächern,

die sich schräg stellen.

Monotonie des Lebens.

Dienstag, 11. Dezember 2007

Hans Witteborg

Neues vom Weissen Ritter

Was haben wir für Glück:

der Weisse Ritter ist zurück!

Ganz nahe bei der eignen Burg

schlug er sich wieder tapfer durch.

*

Sein Harnisch ist auch wieder ganz

er strahlt wie eh in altem Glanz

Auch sein Schwert ist scharf geschliffen,

geglättet sind die alten Riefen!

*

Der alte Zossen ist geschlachtet,

ein neues Ross wurd` grad verfrachtet.

Er ist bereit zu neuen Taten,

kann seinen Einsatz kaum erwarten.

*

Im Kampf um die Gerechtigkeit,

steht er für mich, wie einst bereit.

Als Rächer, wild und gnadenlos

erwartet er den Einsatz bloss.

*

Doch wie es manchmal geht im Leben,

ich hab den Feinden längst vergeben.

Es ist verflogen blinde Wut,

denn Altermilde macht mich gut.

*

Der Held fühlt sich jetzt hintergangen,

weiss nichts mehr mit sich anzufangen.

Der Ruhestand ist nichts für ihn.

Man sieht ihn traurig weiterzieh´n.

*

Halt ihn zurück- wenn er dir nötig.

Vielleicht ist er auch dir gebötig.

Doch willst du selber für dich streiten,

dann lass ihn reiten, reiten, reiten!

Hans Witteborg

Der weisse Rittter

Mit den Kindertagen

schwindet mancher Traum,

und doch so viele Fragen

stehen noch im Raum.

*

Von böser Macht geschunden

ist unsere arme Welt.

Wohin ist er entschwunden

der starke, strahlend´ Held?

*

Kam er einst nicht geritten,

auf seinem weissen Ross

und hat für uns gestritten,

für Ehr´ und Würde bloss?

*

Die Rüstung ist zerbrochen

und stumpf auch wohl das Schwert,

das tapfre Herz gebrochen,

gefallen ist sein Pferd.

*

Vergebens wirst du warten

auf seine Wiederkehr.

So fühlst du dich verraten,

der Ritter kommt nicht mehr.

Montag, 10. Dezember 2007

Hans Witteborg

Weihnachtmärkte

Weihnachtsmärkte – überall

kitschige Lampen blinken,

merkantiler froher Schall,

Nikoläuse winken.

Buden, die nach Glühwein stinken,

Bratwurstduft dringt zu dir vor,

Menschen sinnlos sich betrinken,

grölen mit dem Kinderchor.

Hell erklingen nur die Kassen,

jubeln scheint der Gott Merkur,

und man fragt woher die Massen

nehmen ihre Stimmung nur?

Sammelbüchsen emsig klappern,

UNICEF ermahnt die Welt,

deren Chef, hört man sie plappern,

sein Büro nicht mehr gefällt.

Klaukinder aus den Karpaten

werden extra angekarrt.

Und es steht wohl zu erwarten,

dass die Polizei man narrt.

Schnee, der aus den Wolken rieselt,

schmilzt vor Rührung so dahin,

nur als schnöder Regen nieselt.

Diesmal gibt das wirklich Sinn.

Weihnachtsmärkte sind uns lieb.

Kurz bemerkt sei nur am Rande:

Jesus aus dem Tempel trieb

jene merkantile Bande.

Verderbe ich euch jetzt den Spass?

Nein, das hab ` ich nicht gewollt,

ich möcht` allein, dass ihr dem Anlass

etwas mehr Respekt nur zollt.

Freitag, 7. Dezember 2007

Hans Witteborg

Der Einfall

Nur Wenige wissen Bescheid und die hüten sich davor es bekannt zu machen: die Einfälle von Comedians und Kabarettisten entspringen nicht immer ihren eigenen Gehirnwindungen, sie bedienen sich, wie im alten Rom, bestimmter Sklaven, die für sie Gags und Pointen ausarbeiten. Das haben sie sich von den Leuten abgeschaut, die sie sonst immer scharfzüngig geißeln. Diese Zielgruppe ihres Spotts, die Politiker, erkannten schon sehr frühzeitig, dass Leihgehirne durchaus vom Vorteil sind und auch Zeit sparen, die man besser damit verbringt, sich um Aufsichtsratsposten zu bewerben.

Um dem Ganzen einen intellektuellen Anstrich zu geben, nennt man derartige Hirnakrobaten vornehm „Ghost Writer“. Übersetzt heisst das Geist- Schreiber, die kann man jedoch nicht so benennen, weil dann aufkippte, dass von Geist hier keine Rede sein kann. Nur der sture Bayer E. Stoiber verzichtete manchmal auf diese Dienste, er geisterte selbst. Ich erinnere an die „zehn Minuten vom Flughafen zum Bahnhof München“. Besser kann man einfach auf Schreiberlinge im Hintergrund nicht verzichten!

Auch ich schreibe Gags und Pointen für andere. Nicht nur aus Hobby-Erwägung, nein, ich bin Profi, davon kann man leben, wenn man Rentner ist. Ich schreibe natürlich nicht für die guten Kabarettisten, die haben das nicht nötig. Ich schreibe auch nicht für die guten Comedians, die lachen am liebsten über ihre eigenen Gags, nein ich schreibe für alle, die keiner hören will und deshalb auch keine Auftritte haben – ich sagte doch, ich kann gut davon leben, weil ich Rentner bin.

Der Grund, warum öffentlich nichts von mir zu euch vorgedrungen ist, liegt ganz einfach daran, dass ich meine Einfälle niemanden zuschicke. Trotzdem schreibe ich sie nieder, begutachte sie und finde sie durchweg klasse. Nach dieser Feststellung überlege ich systematisch, wen ich damit wohl beglücken könnte. Komme ich zu dem Ergebnis, dies Machwerk könnte einen von den Verlagen interessieren, die sich um meine Mitarbeit reissen, setze ich ein kurzes, höfliches Schreiben auf, kuvertiere alles fein säuberlich und werfe es hernach in den Papierkorb, bevor dies ein arroganter Lektor für mich tut. Ich war immer schon für entsprechende Arbeitsteilung, schliesslich bin ich gelernter Betriebswirt!

Komme ich zu dem Ergebnis, dass Taugliches für das Medium Fernsehen dabei ist, fange ich an zu sortieren. Die intellektuellen Beiträge kommen in das Fach

für Öffentlich Rechtliche Anstalten, der Schweinkram, den meine Frau nie zu Gesicht bekommt, fällt unter die Kategorie „Private Anstalten“, Lyrisches, was keiner hören will, ordne ich ARTE zu.

Danach stelle ich meinen Aktenvernichter an und jubele jedes Blatt einzeln durch, so vermeide ich, dass Kritiker meine Einfälle zerreissen (tu ich selbst, Stichpunkt Arbeitsteilung) oder meinetwegen ein Kabarettist oder Comedian entlassen wird, wir haben ohnehin schon zu viele Arbeitslose.

Neulich jedoch wurde ich mir selbst untreu. Ich fand einen geistig sehr anspruchsvollen Sketch aber von dermassen gut, dass ich ihn dem Unterhaltungschef der ARD zusandte. Übertitelt war das Ganze mit DER EINFALL.

Ich bekam Post von der ARD. Ahnungsvoll riss ich den etwas dicklichen Umschlag auf. Sein Inhalt: mein Manuskript, ohne Kommentar jedoch leicht abgewandelt, eher ergänzt mit nur einem Buchstaben, der es in sich hatte

REINFALL

So viel Kreativität konnte ich mir unmöglich gefallen lassen. Ich griff zum Telefon und liess gehörig Dampf ab. Der Unterhaltungschef war die Ruhe selbst.

„Worüber beschweren Sie sich eigentlich…. es gibt nicht eine Pointe, nicht einen Gag in dem Sketch, nichts, worüber man nur andeutungsweise auch nur lächeln könnte“.

Aber das ist doch der Trick, klärte ich ihn auf, die Leute werden brüllen vor Lachen. Nach jedem dritten Satz wird eine Pause eingelegt. Jeder schaut verblüfft seinen Nachbarn an. Der verzieht keine Miene – es gibt ja nichts vorüber man sich amüsieren kann. Aha denkt man, der Nachbar hat etwas nicht verstanden, ich bin da viel schlauer, ich lache los, dann schämt der sich, weil er ein geistiger Tiefflieger ist. Da alle so denken werden, besteht die ganze Sendung fast nur aus Heiterkeit. So unterhält man das Publikum!“

Ich hielt das Schweigen am Ende der Leitung für Zustimmung, dabei hatte der gute Mann doch schon längst aufgelegt.

Dennoch, ich erhielt wenig später den Auftrag, die Wetterkarte mit Gags zu unterlegen. Nicht für Herrn Kachelmann, sondern nur als Kommentar z.B. wie:

der Wind bläst stärker (so`n Ferkel) oder die Temperaturen bewegen sich .

Also Kleinkram, aber ihr werdet es schon gemerkt haben, dass die Wetterkarte immer beliebter wird. Ja, wenn die mich nicht hätten…..

Donnerstag, 6. Dezember 2007

Hans Witteborg

Über den unechten Nikolaus

Eigentlich müsste die Überschrift ja heissen: de false Nikolo, denn der Nikolaus war ein Heiliger. Für Heilige ist die Römische Kirche zuständig und die spricht neuerdings wieder lateinisch. Dafür reicht meine Bildung leider nicht aus. Ich bin schliesslich auch nicht Peter Scholl-Latour, der sogar lateinisch betet. Ich muss mich daher der schnöden Sprache Goethes bedienen, verübelt es mir bitte nicht.

St. Nikolaus gab es wirklich. Er war ein freigebiger Bischof, weswegen wir ihn heute noch am 6. Dezember verehren und so tun, als ob er jedes Jahr zur Erde zurückkehrt.

Das ist auch für tote Heilige irgendwie problematisch. Also muss man nur so tun als ob. Der Nikolaus wird gewissermassen simuliert. Bei uns im Dorf haben wir dafür einen hervorragenden Simulanten. Ich wollte euch den Namen eigentlich nicht verraten – aber die Zeitungen berichten jedes Jahr ausführlich unter Namensnennung über den Nikolaus. Jeder im Ort kennt ihn: ihr aber auch, aus meinem Gedicht „am Gartenzaun“. Richtig, es ist mein freundschaftlicher Nachbar Heribert.

Und somit taucht ein kleines Dilemma auf. Wie ihr alle wisst – und deshalb erwähne ich es auch – kommt der Nikolaus aus Myra, das liegt in der Türkei (Anmerkung für die spätgeborene Pisa-Generation). Heribert mag die Türken nicht so gern, wie z.B. Die Franzosen , natürlich hat das Gründe.

Einer der Gründe davon ist, dass die Türken Heriberts Heimatstadt –Gelsenkirchen- okkupiert haben. Sie nennen sie jetzt auf altanatolisch Gül-Sen-Kürken. Ärgerlich das.

Zum anderen sind die Türken Muslime. Heribert ist Christ, nicht von Geburt an sondern erst durch Taufe, Kommunion und Firmung. Dreifach genäht hält besser, wie der Volksmund sagt.

Mit der Welt der Religionen kann man aber über Kreuz kommen.

Nehmen wir die Juden. Die haben unsern Herrn Jesus ans Kreuz genagelt. Reden wir nicht darüber, nicht über alles, was mit den Juden zu tun hat. Verdrängen wir es besser, besser noch verschweigen. Buchenwald? Notwendige Anpflanzung von Laubbäumen von wegen Kyrill. Mauthausen? Tele-Collect Punkt auf der Autobahn.

Mit Muslimen ist das anders. Die laufen einem nach, die kommen zu uns. Massenhaft und strenggläubig. Da kennen die gar nichts. Es soll sogar einige geben, die der Meinung sind: “willst du nicht mein Bruder sein, dann bomb ich dir die Bude ein.“ Und bei der Ehre kennen manche nicht mal Verwandte. Ratzfatz ist da Solinger Stahl im Spiel.

Aber wir Christen müssen auch immer provozieren. Neulich in Khartun nennt doch tatsächlich von ihnen einen Teddy „Mohammed“! Verurteilen, auspeitschen. Provokateure die! Stellt euch doch andersherum vor, der Tierpfleger Murat im Berliner Zoo hätte den Eisbären Knut „Jesus“ genannt! Geht gar nicht! (Zugegeben, der Rummel um das Kuscheltier hat fast religiöse Ausmasse angenommen).

Die moralischen Vorstellungen zwischen Rom und Mekka liegen allerdings nicht so weit auseinander: z. B. Kuscheln unter Minderjährigen mit abschliessender Ejakulation – in der Türkei mindesten 7 Monate Untersuchungshaft. Strafandrohung in der Kirche: 7 Monate zusätzliches Fegefeuer, ganz subtil, da nach dem Tod sich kein Politiker mehr einmischen kann.

Aber kommen wir zurück auf den Nikolaus, den aus der Türkei. Heribert kann doch unmöglich sagen, dass er von da kommt. Aber Heribert wäre nicht Heribert wüsste er sich da nicht zu helfen. So zitiert er: „von drauss, vom Walde komm ich her..“ Wirklich elegant und diplomatisch formuliert!.

Wäre auch ziemlich seltsam, wenn es hiess:“ von weit, mit Öz-Tour komm ich her..“!

Allerdings würde dies die Verspätung erklären, mit der in Lippborg in diesem Jahr Nikolaus mit 3 Tagen Verzug gefeiert wird. Aber das hat schliesslich auch Gründe. Heribert ist überlastet. Er spielt den Nikolaus im Kolping Verein, Kegel Verein, in der Grundschule, bei den Senioren, im Kindergarten u.sw., ob bei den Landfrauen weiss ich nicht, vielleicht weil die mehr auf Männer mit Dreitagebart stehen?

In einer unseren knappen, dreistündigen Unterhaltung zwischen Tür und Angel habe ich ihm schon geraten:“ Heribert“, mahnte ich, „du darfst dich nicht übernehmen. Du schuftest schon bis zum Umfallen immer im Vorgarten und dann noch die vielen Termine. Nicht, dass es dir so geht, wie von Wilhelm Busch beschrieben:

.....überall war er zu finden, keine Stunde hat er frei, gestern, als sie ihn begruben, war er richtig auch dabei!“ Was wäre Lippborg ohne Nikolaus Heribert, das wäre wie Karneval ohne Prinz (kleiner Gag für Eingeweihte).

Bald steht er also wieder auf dem Weihnachtsmarkt. Das Buch der Gerechten in seiner Hand in das er alle Wohltaten und Verfehlungen aufgeschrieben hat. Wenn ich das richtig sehe, fehlt allerdings eine Seite, sie ist herausgerissen. Zufall, dass diese Seite die Registerbezeichnung TER führt? Schlingel, aber auch!

Es werden Stutenkerle zur Belohnung an die Kinder verteilt, nicht ohne ermahnende Worte. Alle sind ganz still und andächtig und lauschen der improvisierten Rede. Alle? Nein, plötzlich ein lautes, hohes Stimmchen: „Das ist doch Opa!“

Schallendes Gelächter rings herum. Nikolaus ist ein fröhliches Fest. Und mein Heribert der beste Nikolaus der Welt – fast wie das Original- nur eben nicht ganz.

In Lippborg ist was los. Kommt mich nur nicht besuchen, denn

dann wird es hier eng!

Dienstag, 4. Dezember 2007

Hans Witteborg

Der Falsche Nikolaus

Wer holpert und stolpert im Treppenhaus?

Die Stiege knarrt und dröhnt!

Ach, 6. Dezember – der Nikolaus:

der alte Mann keucht und stöhnt.

Er schleppt sich ab mit dem schweren Sack,

vollgestopft mit seinen Geschenken,

ist wohl nicht mehr so wie früher auf Trab,

das liegt an den steifen Gelenken.

Zu meiner Zeit hat sich noch zugesellt

Knecht Ruprecht, der raue Geselle.

Er war zur Entlastung eingestellt,

doch strich der Himmel die Stelle.

So quält sich der Alte heut´ mühsam ab,

das fällt ihm zunehmend schwer.

Wenn er so weiter macht im schlappen Trab,

dann schafft er sein Pensum nicht mehr!

Ich öffne die Tür – bleib stehen betroffen

und schau in ein rotes Gesicht:

Nachbar Ewald grinst da – total besoffen.

so verhält sich der Nikolaus nicht.

Er ist ganz fröhlich und lallt vor sich hin,

es klingt wie „vom Himmel hoch..“.

Ich schliesse die Tür, verärgert ich bin,

ich erwarte den Nikolaus doch!

Montag, 3. Dezember 2007

Schleichendes Vergessen

Ein Satz….nicht mehr vollendet,

es fehlt das Wort.

Du suchst und suchst dich zu erinnern

vergebens – es ist einfach fort!

Du redest- schwerer Zungenschlag,

Verwirrtes kommt aus deinem Mund.

Mühsamer Gedankengang wir niemand kund.

Du irrst umher – wer lenkt den Schritt?

So fremd scheint dir der Ort.

Es treibt die Furcht dich einfach hin:

nur fort! Wohin? Nur fort!

Und Stimmen dringen an dein Ohr,

sanft schmeichelnd zu dir hin,

doch du verstehst schon längst nicht mehr den Sinn.

Es hält dich führend eine Hand,

lieb beugt sich ein Gesicht.

Die Augen irr´n – und aus dir bricht

die bange Frage: “Kenn ich dich?“

Sonntag, 2. Dezember 2007

Hallo, ist da wer?

Red ich eigentlich zu Toten?

Schreib ich mir doch wund die Pfoten.

Habt ihr denn kein bisschen Zeit,

die für mich mal übrig bleibt?

Gern erwart´ ich Kommentare,

doch stets rauf´ ich mir die Haare,

weil kein Mail-Box Brief, was leicht

wäre, mich von euch erreicht.

Darum lebt mit Schimpf und Schande,

weil so schnell verläuft im Sande,

was ich euch geschrieben hab.

Und so nehm´ ich mit ins Grab,

dass, wenn wer die Feder führt,

seine Freunde nicht berührt!

Täglich fragt sich dieser nämlich,

warum bin ich bloss so dämlich,

meine Werke euch zu schicken?

Ich sollt´ besser sie verticken

und mit den gewonnenen Euronen

lustreisen und Nerven schonen.

Doch leider bin ich, wie ihr wisst,

ein unverbesserlicher Idealist.

Rafft euch deshalb auf zu Taten,

Hauspoet kann´ s kaum erwarten.

Samstag, 1. Dezember 2007

Letzter Novembertag

Klagend zieht ein Graugans Paar

über braune Felder.

Scholle, wund und aufgebrochen,

die so grün einst war,

streckt sich hin so weit man sieht,

wo die kahlen Wälder

stossen an den Himmel an,

der sich über alles zieht:

bleiern , breiig grau und schwer,

nicht vom Sonnenstrahl durchbrochen.

Wind erhebt sich. Irgendwann

trägt die Regenlast nicht mehr,

nieselt auf geschund´nes Land,

ewiger Kreislauf Wiederkehr.