Donnerstag, 27. März 2008

Einkaufen

Es gibt Erfahrungen, die jeder schon einmal gemacht hat und deshalb ist es auch unnötig, sie

anderen Erdenbewohnern zu vermitteln, zumal die sowieso alles besser wissen. Aber habt ihr schon einmal einen Kettenhund von der Kette gelassen? Wenn nicht, könnt ihr darauf verzichten. Sofern euch diese Erfahrung interessiert aber augenblicklich kein Kettenhund verfügbar ist, braucht ihr lediglich einen Rentner beobachten, den seine Angetraute zum Einkaufen schicken will.

Das beginnt mit unmutigem Knurren (allerdings entfällt das Blecken der Zähne, die hätten zuvor erst eingesetzt werden müssen). Dann folgt ein endloses Rumgezerre bis das Äussere Gassi tauglich ist, letzte Ermahnungen .z.B. „sei schön brav“ oder „pass auf“ und dann kann losgehechelt werden. Zunächst in wilden Sprüngen (beim Rentner muss man sich wild und Sprünge wegdenken), damit schnell genügend Zwischenraum zum „Frauchen“ entsteht und dann geht es immer der Nase nach weiter, um an jedem interessanten Punkt zunächst zu verharren oder ein Mitgeschöpf freundlich zu begrüssen (hierbei entfällt beim Rentner das Schwanzwedeln), aber ob der gewonnenen Freiheit kommt Freude auf.

Ab hier müssen wir das vergleichende Bild allerdings verlassen, weil Hunde kein Geld bei sich haben und in den Läden sowieso draußen bleiben müssen: sie sind mit anderen Worten zum Einkaufen ungeeignet.

Nicht so der Rentner. Er hat schriftliche Anweisungen, die er wegen der Sauklaue seiner Daheimgebliebenen nicht lesen kann und wenn, hätte er seine Brille in der Aufregung des zu erwartenden Abenteuers ohnehin vergessen. Hürden sind jedoch da, damit sie genommen werden. Da ist zunächst der Einkaufswagen, angekettet und beim besten Willen nicht loszuzerren. Geschickt wendet er sich ab, tut so als stände er nur so herum und beobachtet aus den Augenwinkeln, wie geübte Hausfrauen den Wagen aus der Verkettung lösen. So also geht das. Nach einigem Fummeln ist diese Hürde genommnen, gleichwohl sträubt sich der Einkaufswagen die gewünschte Richtung zu nehmen, da ein Rad klemmt. “Au, passen Sie doch auf“, „unverschämt einen so anzurempeln“, „Mama der Opa hat mich in die Hacken gefahren“, „Sie, Sie… Trottel“. Die Beschimpfungen treiben den Ärmsten tiefer in den Laden hinein. Doch wohin. Unschlüssigkeit auf der ganzen Linie. Der Einkaufszettel nicht lesbar. Aha, ein Weinregal. Rentner brauchen Wein, insbesondere den roten, wegen der Gesundheit.

Ein paar Flaschen wandern in den Einkaufswagen. Vorbei an Tütensuppen. Maggi. Grosse Flasche 1,5 l im Angebot. Würzen muss sein, also hinein damit. Sollte nicht auch Gemüse?

Da ist frische Petersilie… komisch in kleinen Sträußchen, wird doch keiner von satt. 5 Sträußchen.. nein besser 8 .. hinein damit. Mehl und Zucker, hat sie nicht von gesprochen, braucht man aber .Hinein damit. Ah, interessant: Angebote für Werkzeuge und Schraubensortiment. Da gilt es sorgfältig auszusuchen, man muss ja nichts kaufen, was man nicht gebrauchen kann, so als Rentner dreht man doch jeden Cent um. Nanu, eine Gehrungssäge, hatte er nicht vor fünf Jahren mal einen Bilderrahmen zurechschneiden wollen? Her damit! Klebepistole, es gibt immer was zu kleben und Gartenclocks, werden gebraucht, gekauft und ab zur Kasse, denn das Ganze hat so gefühlte zwei Stunden in Anspruch genommen. Gar nicht so teuer, was es alles so für 175 € gibt! Natürlich braucht er jetzt mehrere Plastiktüten: “wissen Sie meine Frau kauft nicht so häufig ein, deshalb nur dies kleine Täschchen, verstehen Sie, man muss wirklich an alles denken.“

So, ab nach Hause, na, die wird sich freuen was ich alles eingekauft habe!

Die Begeisterung ist unbeschreiblich und endet in dem ebenso unbeantwortetem wie gekreischtem Satz: “Und was sollen wir essen?“

Das weiss ich als Autor nun auch nicht, doch ich ahne, warum man manche Hunde an die Kette legt.

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