Samstag, 24. November 2007

Schieflage

Im Alter verhalten Menschen sich recht unterschiedlich, sonst zwar sowieso auch, aber im Alter kann man das Verhalten klassifizieren oder besser typisieren. Da sind die Altersmilden. Sie gehören zu den Schreckhaften, die Angesichts ihrer Endlichkeit noch einen Fuss in die Himmelstür stellen wollen. Der andere Typus ist der Altersweise, der sich sorgt, nicht im Speziellen sondern im Globalen im Übergeordneten, z.B. um die Zukunft Deutschlands und um die, die die Zukunft gestalten sollen. Die Altersweisen wollen unbedingt, dass alle noch einmal von ihrer Weisheit profitieren sollen und aus Lebenserfahrungen lernen. Dazu ist es natürlich erforderlich, dass diese auch vermittelt werden. Der Hauspoet gehört zu diesem letzten Typus (sowohl was den grammatikalischen Zusammenhang angeht als auch im wörtlichen Sinne ) Meine Frau meint die Vermittlung meiner Weisheiten hätten genauso viel mit dem tatsächlichen Leben zu tun, wie ein Drehbuch der Serie „Wege zum Glück“. Ich kann Kritik gut vertragen, wenn sie unberechtigt ist. Ich habe eine kluge Lebensgefährtin, da wird es dann etwas schwierig. Wäre aber traurig, wenn ich mich dadurch abhalten liesse, wozu gibt es das stille Kämmerlein? Ich mache mir also globale Sorgen um Deutschland und das ist gut so.

Da sind z.B. die Pisaergebnisse. Ihr kennt doch PISA? Das ist eine Abkürzung für – ach, hab ich vergessen, schlagt doch selbst nach! Folgt dabei aber nicht dem Rat aus My Fair Lady , bei Shakespeare findet ihr vielleicht Verona oder Padua. Das hat mit PISA nichts zu tun, höchstens mit der Schieflage des berühmten Turmes.

Also: Google. So nun wisst ihr Bescheid, das ist eine solide Grundlage auf der wir uns weiter unterhalten können.

Um eben diese Grundlagen geht es. Ich habe mich informiert und bin erschüttert. Nicht über die Ergebnisse der Studie, sonder darüber, wie man deutsche Schüler untermangelt. Lasst es mich erklären. Früher tat man dies im Neuen Testament durch Gleichnisse, später bei La Fontaine (dem echten, Jaen) mit Fabeln, ich als bescheidener Hauspoet tue es mit Beispielen.

Nehmen wir einmal an, meine Kegelbrüder und ich…keine Unterbrechung, ich weiss, dass ich in keinem Kegelverein bin…ich nehme doch nur an. Also.

Wir sind in die Türkei eingeladen….was, ich kriege keine Einladung, weil der Türkische Geheimdienst längst weiss, dass ich in meiner Jugend Karl May „Durch`s wilde Kurdistan“ gelesen habe..Kurdistan! Ist doch nur hypothetisch!

Wir sind vom Kultusminister nach Anatolien zum Besuch einer Schule eingeladen worden. Verdammt, ich weiss doch, dass Kegelvereine keine Kultur repräsentieren

lasst mich doch weiter erzählen.

Wir werden herzlich mit Apfeltee begrüsst, schon hat man uns einen wertlosen Teppich verscherbelt (man kennt die Gastfreundschaft der Türken) und dann nehmen wir am Unterricht teil.

Es sind fünf Schüler anwesend, die anderen befinden sich gerade bei der Tomatenernte und entgehen so der PISA-Prüfung. Wir machen mit. Es liegt die Kopie eines Zeitungsausschnitts auf dem Tisch, von dem nur die Überschrift uns etwas sagt: ATATÜRK.

Es geht los. Jeder soll laut den Artikel vorlesen. Für die türkischen Kinder eine Kleinigkeit. Wir sind dran und verstehen durch Gestik und weil ein Schüler, der in Deutschland einen grossen Bruder hat, der Kokain vertickt, radebrecht : he, soll lüsen.

Wir tun unser Bestes und das ist nicht einmal ungenügend. Die vielen Üs sind für unsere Zungen nicht beherrschbar, nur Hermann, der noch vom gestrigen Abend total besoffen ist, schafft ein flüssiges Lallen aber unverständlich!

Es folgt das schriftliche Nacherzählen des Artikels. Ausser ATATÜRK bringen wir nichts auf das Papier. Kurzum, wir haben den türkischen Schülern die Leistungskurve dermassen vermasselt, dass die PISA Studie zu dem Ergebnis kommt: türkische Schüler dümpeln kurz vor dem Analphabetismus.

Aha, ihr habt also gemerkt worauf ich hinaus will. Ich kenne Pädagogen,

allerdings nur wenige – man muss ja darauf achten, mit wem man sich abgibt-

also, ich kenne Pädagogen, die haben mir auf die Schulter geklopft: endlich einer, der das Problem erkannt hat! Kaum, dass sie das sagten, packten sie ihre Koffer und flogen in einen sechswöchigen Urlaub, die faulen Säcke.

Ich glaube, ich werde doch besser altersmilde.

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